Weltschmerz

Wie umgehen mit dem Weltschmerz? Eine psychologische Analyse

Klimawandel, Pandemie und Ukraine Krieg. Die Aussichten in diesen Tagen sind düster. Kein Wunder, dass sich unsere Praxen mit immer mehr Menschen füllen, die am sogenannten „Weltschmerz“ leiden. In der Psychologie gibt es hierfür nun eine eigenständige Diagnose: Prätraumatische Belastungsstörung

Doch wie sollen wir mit den neuen Herausforderungen umgehen? Ein Review neuester Studien und Erfahrungsberichte aus dem Bereich der transpersonalen Psychologie geben Aufschluss.

Was wenn morgen alles vorbei ist?

Diese Frage treibt heutzutage immer mehr Menschen um. Vergleichsweise zu anderen Ländern fühlen wir uns in Deutschland noch relativ sicher. Laut eines Studie von 2019 befürchten nur 39% der Deutschen, dass die Zivilisation wie wir sie heute kennen, in den nächsten Jahren zusammenbrechen werde. Bei den Amerikanern befürchten dies 52%, bei den Briten 56%, bei den Franzosen 65% und bei den Italienern 71%. Das zeigt, wie sicher wir uns noch im Vergleich zu unseren Nachbarn fühlen.

Dies wiederum mag unter anderem in der wirtschaftlichen „Schlagkraft“ dieses Landes begründet sein. Seit 2019, dem Jahr der Studienerhebung, hat sich jedoch vieles getan. Neuere Erhebungen des Deutschlandtrends der Tagesschau aus dem Jahr 2022 zeigen einen Zuwachs von Politik- und Demokratieverdrossenheit. So sind im ehemaligen Osten des Landes 63% der Menschen unzufrieden mit der aktuellen Regierungsform – der Demokratie!

Als Hauptbedrohung für die Demokratie wird in der Bevölkerung neben der Inflation, einer allgemeinen Radikalisierung, den „abgehobenen Politikern“ und der zunehmenden Armut auch der immer stärker werdende Rechtspopulismus angegeben. Dieser speist aktuell seinen Aufwind vor allem aus der zunehmenden Frustration in der Bevölkerung.

Mit Weltschmerz umgehen

Wie wir auf den Weltschmerz reagieren:

1. Schockzustand („Freeze“)

Bereits in der Phase, als in der Welt die Realität einer akuten Klimakrise immer deutlicher wurde, konnte zum ersten Mal ein Phänomen festgestellt werden, dass sich am besten als prätraumatische Belastungserscheinungen bezeichnen lässt. Die düsteren und zugleich sehr wahrscheinlichen Zukunftsperspektiven der Wissenschaftler für unsere Klimaentwicklung ließen in vielen von uns ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht zurück.

Diese Reaktion ist bekannt aus der Traumaforschung, nur wird sie dort in Bezug auf ein vergangenes traumatisches Ereignis (Unfall, Tod, usw.) untersucht. Hier haben wir es allerdings mit einem „gedehnten“ Ereignis zu tun, einem Ereignis, das eventuell in der Zukunft noch eintreten wird (Vergrößerung der Wüsten, Wasser- und Nahrungsmangel, usw.).

Auf transpersonaler, seelischer Ebene betrachtet ist es, als würde allein die Möglichkeit einer solchen Zukunft uns Tag für Tag Kraft entziehen. Es ist, als würden wir langsam verbluten. Entsprechend fehlt die Kraft, sich gegen das drohende Ereignis zu stemmen. De Folge: Wir bleiben stehen, verließen die Augen und lassen der in uns aufkeimenden Verzweiflung und Angst immer mehr Raum.

Das Endstadium ist ein sogenannter Freeze-Zustand. Wir wagen es kaum noch unsere Fühler in die Umgebung auszustrecken. Zu groß ist die Angst vor weiteren schlechten Nachrichten. Somit sind wir gefangen in uns, können uns selbst kaum noch helfen und auch eine Hilfe von außen ist nur noch schwer möglich.

Leugnung oder Flucht (Flight-reaction)

Eine Reaktion, die den beiden Reaktionen von Schock und Aggression oft vorausgeht, ist die Leugnung. Dies ließ sich gut in Bezug auf den Klimawandel beobachten. Häufig wurde dieser Ausweg von jenen gewählt, die aufgrund der drohenden Veränderungen um ihre Macht fürchteten (Trump, Bolsonaro, usw.) und jenen, die vom aktuellen Status Quo profitierten (z.B.: Automobilindustrie).

Es wurde so lange gegen die Warnrufe der Wissenschaftler angekämpft, bis sich die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr leugnen ließen. Das Ziel war es Zeit zu gewinnen um den Status und den Machterhalt zu sichern. Genau jene Zeit wird der zukünftigen Generation im Kampf gegen die drohende Katastrophe fehlen.

Aggression (Fight-reaction)

Eine weitere Reaktionsmöglichkeit, die Aufgrund der evolutionspsychologischen Erkenntnissen ebenso plausibel ist, ist die des Angriffes. In Anbetracht der drohenden Gefahr schießt „Rote Wut“ durch unser Nervensystem und wir attackieren den vermeintlichen Angreifer. Das Problem in unserer heutigen Situation ist jedoch: Wer ist hier der Angreifer?

Wenn die Wut uns übermannt sind die kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt. Das heißt, wir denken nicht lange darüber nach, was wir tun, sondern tun einfach das naheliegendste. Die schlechten Nachrichten werden uns von den Politikern übermittelt (z.B: Energiekrise). Also sind sie Schuld an der ganzen Misere. Es fühlt sich so gut an, auf Demonstrationszügen neben rechtsradikalen Gleichgesinnten sich die Wut aus dem Bauch zu brüllen.

Doch wohin wird das führen. Dem Besonnenen kommen hierbei weitere düstere Szenarien vor Augen. Dem „Rasenden“ jedoch, stehen die „kognitiven Ressourcen“ einer solch vorausschauenden Perspektive nicht mehr zur Verfügung. Er will das Establishment (oder das, was er für das Establishment hält) stürzen, koste es was es wolle. Dass er dadurch auf viele Errungenschaften, die seinem persönlichem Wohl dienen, zerstört (z.B.: Demokratie, Grundrechte) nimmt er in Kauf. Er entscheidet sich also für eine Loose-loose-Lösung: „Ich will dass du verlierst auch wenn das bedeutet, dass ich ebenso etwas verliere.“

Der Weg zum seelischen Wachstum – vom posttraumatischen Wachstum zum prätraumatischen Wachstum

Seit jeher wurde der Mensch vor scheinbar unüberwindlichen Herausforderungen gestellt (z.B: Naturkatastrophen), oder manövrierte sich gar selbst in ausweglose Situationen (z.B.: Kriege). Es zeigte sich stets, dass ein Teil der Betroffenen im Stande war an diesen Herausforderungen zu wachsen, während andere der Abwärtsspirale der Traumatisierung erlagen.

In den letzten Jahren begann die Forschung dieses Phänomen – das sie den posttraumatischen Wachstum tauften – zu untersuchen. Was machte jene Menschen aus, die im Stande waren an ihren traumatischen Erlebnissen zu wachsen? Dahinter steckte natürlich auch die Frage, ob es durch Interventionen möglich sein könnte unsere Vulnerabilität (Verletzlichkeit) zu mindern und gleichzeitig die Resilienz (Abwehrkraft, Beständigkeit) zu steigern.

Neben den bereits etablierten Erklärungswegen – gute genetische Voraussetzung, eine sorglose Kindheit, positive epigenetischen Dynamik und soziale Eingebundenheit – war bei einer Untersuchung von Rechtseiner et. al. 2020 – eine Untersuchung über vier verschieden Kulturen hinweg die traumatisches erlitten und gestärkt herauskamen – die jeweilige Weltanschauung der Teilnehmer ausschlaggebend.

Egal ob es sich um die Community der Schweizer, Polen, Inder oder indigenen Ureinwohner Brasiliens handelte, sie alle sahen die traumatischen Ereignisse als eine Herausforderung an, als eine Art Test, den es zu bestehen gilt. Das Leben sei eine Schule und man könne an den Aufgaben wachsen. Bei zwei der vier Kulturen gab es auch die Ansicht für vorherige Missetaten bestraft worden zu sein.

Das eigene Überzeugungssystem scheint also einen wichtigen Einfluss auf unsere Resilienzfähigkeit auszuüben. Wie können wir nun diese Erkenntnis auf die prätraumatischen Herausforderungen unserer Zeit anwenden?

An dieser Stelle verlasse ich die wissenschaftliche Basis, da es für folgende Gedanken und Theorien keinerlei Forschung gibt. Was wäre wenn sich der Mensch grundlegend verändern könnte? Die Wissenschaft ist demgegenüber eher skeptisch. Führende Neuropsychologen sprechen sich gar dafür aus, dass in naher Zukunft eine hochentwickelte Form der künstlichen Intelligenz die Geschicke auf diesem Planeten leitet.

Dieser Wunsch mag auf den Laien schockierend wirken, jedoch liegen uns Studien und Experimente vor, die die Manipulierbarkeit des Menschen und seine triebgesteuerte Natur auf schockierende Weise ins Licht rücken. Man denke nur an das Milgram Experiment oder an das verfilmte Stanford-Prison-Experiment das den Forschern völlig außer Kontrolle geriet.

Da für viele Experten durch jene Experimente die „Schwäche der Menschen“ erwiesen scheint, ist ihre Hoffnungslosigkeit bezüglich der Zukunft dieser Spezies nur allzu leicht verständlich. Was jedoch wenn sie den Menschen noch lange nicht durchleuchtet haben. Was, wenn ihnen da einige Punkte entgangen sind..

Was wäre wenn es so etwas wie eine Seele gäbe, die darauf wartet erkannt zu werden und der Mensch lernen würde auf ihre Bedürfnisse zu hören? Was wäre, wenn wir erkennen würden dass eine innewohnende Kraft uns dabei helfen könnte, sich hin zur Nächstenliebe, zu Empathie und zum Altruismus zu entwickeln.

Tatsächlich konnte in Studien gezeigt werden, dass Altruismus und Empathie nicht nur unser psychisches sondern auch unser physisches Befinden verbessern. Wir helfen anderen und gleichzeitig helfen wir uns – eine win-win-Situation also. Das mit der Seele war bislang insofern schwierig, da man bisher keinerlei Instrumente zur Hand hatte um in diese Richtung zu forschen.

Dies scheint sich nun zu ändern. Die zunehmende Anerkennung von qualitativen Studien (z.B.: Interviews, Fallstudien) lässt eine Erhebungsmethode wieder ins Licht rücken, die bereits Wilhelm Wundt – der Begründer der Psychologie – für seine Forschung nutze: Die Introspektion.

Gewisser Weise sind tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien auch auf die Praxis der Introspektion ausgerichtet. In dieser Hinsicht gehört auch die Regressionstherapie zur selben Analysefamilie. Sie ermöglicht es den Klienten durch eine Art geführte Innenschau bewusstseinsverändernde Erlebnisse zu generieren.

Es erfüllt mich und meine Kollegen regelmäßig mit Erstaunen wozu der Mensch fähig ist, wenn ihm das richtige Werkzeug an die Hand gegeben wird.

Weltuntergang

Wie können wir uns auf die Zukunft vorbereiten?

Schon Darwin erkannte, dass eine Fähigkeit besonders ausschlaggebend für das Überleben einer Spezies war: Ihre Anpassungsfähigkeit. Es steht außer Frage, dass wir in der Zukunft vor immensen Herausforderungen stehen werden. Was hilft uns da der Kampf gegen das Establishment, die Verweigerung oder gar Resignation?

Viele unserer emotionalen Reaktionen beruhen darauf, dass wir uns in unserem Status angegriffen fühlen. Unser Status hängt stark mit dem zusammen worüber wir uns selbst definieren. Unser Beruf, unser Auto unser Reichtum. Wenn sich andeutet, dass wir davon etwas verlieren könnten, dann reagieren wir, meist mit Angst oder Aggression – fight or flight.

Ich sehe keinen anderen Ausweg für den Menschen als sich von diesem Reaktionsmuster wegzuentwickeln. Es wird für ihn eine enorme Befreiung bedeuten, wenn er merkt, dass sein Überleben nicht von materialistischen Dingen abhängt. Natürlich braucht er ein Dach über dem Kopf, natürlich braucht er Essen und Kleidung. Doch das wird er haben. Es sei an dieser Stelle an das Buch von Tolstoy erinnert „Wieviel Erde braucht der Mensch“. Das Buch ist wie eine Meditation und immer noch brandaktuell.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das keine einfache Aufgabe ist. Meinen Status als erfolgreicher Künstler musste ich nach einem Burnout aufgeben. Im Herzen bin ich immer noch Künstler, doch nun bin ich noch vieles mehr. Doch erst musste ich loslassen und den Schritt ins Ungewisse tun. Diese Grenzerfahrung stärkte mich.

Der utopische Wunsch nach Freiheit

Wenn wir hören, was jene Leute fordern, die es auf die Straße drängt um gegen die Vorschriften und Entscheidungen der Politiker zu demonstrieren so fallen schnell Begriffe wie Freiheit und Selbstbestimmung. Dies ist insofern interessant, da wir hier in Deutschland in einem recht demokratischen Land leben das die Grundrechte der Menschen achtet.

Dr. Bruce Lipton beschreibt in seiner Zukunftsvisionen, dass die Menschheit erfahren wird, dass sie einen gemeinsamen Körper, ein gemeinsames Bewusstsein hat. Wir Menschen werden erkennen, wie unzertrennbar wir miteinander verbunden sind und wir werden voller Dankbarkeit die uns von der Natur zugeteilte Aufgabe übernehmen und in Harmonie miteinander zusammenarbeiten. Nur auf diese Weise können wir unser Überleben sichern.

Der Yogi und indische Meister Babuji Maharja formulierte es so: Die Freiheit von Freiheit ist die wahre Freiheit. Ein Satz, der ebenfalls zur Meditation anregt. Wenn wir frei sind von Erwartungen, wenn wir uns nicht mehr über materielle Dinge identifizieren, dann werden wir nicht mehr reagieren und uns und andere Menschen verletzende Dinge tun.

Wir sind frei das zu tun was richtig ist. Und jeder, der es gelernt hat auf sein Herz zu hören (eine Fähigkeit die viele von uns erstmal wieder lernen müssen) wird wissen, was das eine richtige ist. Es gibt nur eine richtige Option. So wie mein Vorname Roland lautet und nicht vielleicht auch ein bisschen Paul oder Peter..

Es geht also darum zu erkennen, dass wir im Grunde genommen gar keine Wahl haben. Dies kann den einen beängstigen, den anderen jedoch befreien. Der Mensch muss sich seines Größenwahns entledigen und erkennen wer er wirklich ist. Wie sagte schon Shakespear: „Who am I, a breath, a nothing, and nothing more.“

All unsere Träume mögen in dem einen Moment in Erfüllung gehen, im anderen lösen sie sich wieder in Luft auf. Wie gewonnen, so zerronnen. Ein weiteres englisches Sprichwort trifft es hier noch besser: „Man plans and God laughs.“ Diese Tatsache entbindet uns jedoch nicht davon nach dem Besten zu streben und alle Dinge die wir tun nach bestem Gewissen auszuführen. Es ist unsere Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Doch die Früchte unserer Arbeit sind Ihm (Gott?) überlassen. Dieses Prinzip ist auch eine der fundamentalsten Botschaften der Bhagavad Gita.

Solastalgie

Solastalgie: Die Sehnsucht nach der Natur

Um nochmal auf Tolstoi zurückzukommen, die Verbindung von Mensch und Natur ist etwas, das unserer Seele wohl tut. Studien zeigten, wie durch naturverbindende Interventionen Kinder, die an ADHS oder vergleichbaren Störungen litten, zu einem besseren Körperbefinden fanden. Auch wir genießen in unserem Alltag den Spaziergang im Wald oder am Strand und nehmen die wohltuende Wirkung auf Geist und Körper wahr.

Leider sitzen wir auf Arbeit immer mehr in Innenräumen und bewegen uns auch immer weniger. Gleichzeitig starren wir auf Bildschirmen, die uns täglich ein immer bedrohlicheres Zukunftsszenario ausmalen. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden.

Die Natur inspiriert unser Wesen und entschleunigt uns. Trends wie Waldbaden oder Yoga in der Natur erfahren gerade einen großen Aufwind. Jeder von uns ist angehalten nach Möglichkeiten zu suchen, die ihm ruhige Momente in der Natur verschaffen.

Zudem sind Techniken der Meditation und Entspannung ebenfalls hilfreiche Methoden, um sich von den Stressreizen der Umwelt zu distanzieren. Es liegt in der Natur des Menschen sich in sich zurückziehen zu können, nicht als Angstreaktion, sondern ganz bewusst, um wieder Kraft zu tanken.

Dass das funktioniert ist doch erstaunlich. Was ist das im Inneren des Menschen, das ihm Kraft gibt? Es bleibt zu vermuten, dass noch längst nicht alle Rätsel in Bezug auf den Menschen entschlüsselt sind.

Fazit

Wir leben in interessanten Zeiten! Die Nachrichten sind voll von Negativschlagzeilen. Es fällt also nicht schwer den Glauben zu verlieren und im Weltschmerz zu versinken. Und dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass dem Menschen noch Großartiges bevorsteht.

Spaziergänge, Entkoppelung vom Statusanspruch, Meditation und vieles mehr kann dich gut auf die bevorstehenden Herausforderungen vorbereiten. Nutze sie und transformiere dein Leben. Ich bin überzeugt: In den nächsten Jahrzehnten werden sich für uns Menschen och nie dagewesene Möglichkeiten auftun.

Also, be ready and steddy! Und vertraue darauf dass du genau wissen wirst, wann du loslegen musst.

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