Empathie – Die 6 Merkmale von hochempathischen Menschen

In den letzten Jahrzehnten hat die Wissenschaft – hier im speziellen Falle die Psychologie – einen Faktor ausfindig gemacht, der wesentlich dafür verantwortlich ist, ob eine Beratung oder eine Therapie gelingt oder nicht: Empathie.

Vieles hängt davon ab ob es uns möglich ist, sich in unser Gegenüber hineinzuversetzen und seine Sicht der Dinge verstehen zu können. Denn wenn der andere spürt, dass wir ihn wahrnehmen, verändert sich die zwischenmenschliche Beziehung schlagartig und das Gespräch nimmt einen neuen Verlauf. Eine Kontroverse entwickelt sich zu gegenseitigem Verständnis. Plötzlich nehmen wir Lösungsmöglichkeiten wahr wo vorher keine Aussicht auf Erfolg bestand.

Empathiefähigkeit für alle – die besondere sekundäre Emotion

Die Fähigkeit zur Empathie ist nichts dass nur Therapeuten, Coaches, Ärtzen und Diplomaten in Krisenregionen vorbehalten sein sollte. Wir alle können dieses „menschliche Talent“ für unseren Alltag kultivieren und anwenden.

Im Übrigen unterscheiden wir uns genau darin von den Tieren. So zählt die Empathiefähigkeit neben Stolz oder Scham zu den sekundären Emotionen die nur uns Menschen vorbehalten sind. Primäre Emotionen wie Freude, Wut, Trauer haben wir hingegen mit ihnen gemein.

Kognitive und affektive Empathie

Wenn wir bei den kürzlich verfassten Forschungsergebnissen weiter in die Tiefe gehen, dann zeigt sich, dass vor allem eine Form der Empathie zur Lösung von Konflikten sehr erfolgversprechend ist – die affektive Empathie.

Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit, die Gefühlsregungen unseres Gegenübers nachzuempfinden. Dies gelingt uns Menschen unterschiedlich gut, abhängig davon wie ausgeprägt die Ähnlichkeitswahrnehmung (als nicht die tatsächliche Ähnlichkeit) zwischen den beiden in Frage kommenden Personen ist.

Im Gegensatz dazu bezeichnet kognitive Empathie die Fähigkeit, die Situation des Gegenübers zu verstehen – also die Gründe warum er in der Situation ist in der er ist nachzuvollziehen. Diese Fähigkeit kann helfen affektive Empathie zu entwickeln ist aber allein für sich stehend noch kein Erfolgsgarant für eine Konfliktlösung.

Das Phänomen der Spiegelneuronen oder „mirror neurons“

Ein weiterer immer häufiger diskutierte Punkt in diesem Zusammenhang ist das Phänomen der Spiegelneuronen. Es bezeichnet folgende Beobachtung aus der Hirnforschung: Das Gehirn einer Person, die in einem Dilemma steckt, feuert nach einem bestimmten Muster. Nimmt nun eine zweite Person das Dilemma der anderen Person wahr, kann ein ähnliches Muster im Gehirn der zweiten Person festgestellt werden.

Auf diese Art und Weise kann neurologisch erklärt werden, wie es uns Menschen gelingt die Gefühle unseres Gegenübers mitzuempfinden. Und es funktioniert sogar dann wenn wir uns bewusst sind, dass uns die Szene nur vorgespielt wird. Die Theater- und Filmindustrie würde wohl ohne diese Fähigkeit nicht existieren.

Ich fühle mich oft ausgenutzt – bin ich zu empathisch?

Diese Befürchtung wir recht häufig in meiner Praxis geäußert. Tatsächlich scheint das Ausmaß an narzisstischen Störungen und Machiavellismus in unserer Zeit – zumindest in westlichen Raum – zuzunehmen. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Ein Grund kann in der Vorbildfunktion und im Erziehungsstil der Eltern gefunden werden.

So kann es sein, dass wir als Kinder von unserer Mutter gelernt haben uns ganz den Wünschen und Bedürfnissen des Vaters unterzuordnen. Der Vater jedoch kennt jedoch nichts anderes als die Erfüllung seiner eigenen Wünsche voranzutreiben, und sei es auch auf Kosten seiner eigenen Familie. Derartige Muster stecken tief und können über viele Generationen hinweg weitergegeben werden.

In unserer westliche Welt huldigen wir weniger jenen, die rücksichtsvollen Umgang pflegen und sich für andere einsetzen. Es sind eher jene, die Macht haben, erfolgreich sind und ihr Geld und ihren Einfluss zur Schau stellen, denen wir huldigen. Sie sind medial sehr präsent und können die größten „Follower Zahlen“ in den Sozialen Medien aufweisen.

Es wird Zeit sich die Frage zu stellen: Wer bestimmt unsere Normen? Welche Werte wollen wir hochhalten?

Jahrhunderte lang wurden Frauen von Männern, Kinder von Erwachsenen, Kolonien von Kolonialherren ausgebeutet und missbraucht. Empathie bedeutet nicht sich aufzugeben. Wahre Empathie ist eine Stärkung des Selbst. Fühlst du dich nach einer Begegnung, nach einer Auseinandersetzung in der du helfen wolltest schwächer als zuvor, dann ist etwas schiefgelaufen.

Narzissmus und Machiavellismus – das Gegenteil von Empathie

Es zeugt von emotionaler Intelligenz zu erkennen, ob unser Empathievermögen ausgenutzt wird oder nicht. Auch emotionale Intelligenz lässt sich trainieren. Meditation ist wohl die wichtigste Trainingsmethode die es hierbei zu nennen gilt.

In der Meditation stellen wir eine innere Balance, einen harmonischen Zustand her, der uns durch den weiteren Alltag begleiten soll. Wird diese Harmonie gestört, zum Beispiel durch unseren narzisstischen Partner (ja, es sind häufig die Männer, die von dieser „Krankheit“ betroffen sind) schlägt unser Herz Alarm.

Das Herz ist unser Radar. Es erkennt wenn Gefahr in Verzug ist. Die Forschung zur Herzintelligenz ist noch jünger als jene der Spiegelneuronen doch sie liefert bereits erste vielversprechende Ergebnisse. Deshalb empfehle ich vor allem eine Meditationspraxis, die auf die „Befreiung“ des Herzens fokussiert.

Selbstempathie – Sei kein Opfer von empathielosen Menschen!

Wenn du dich also als ein Opfer von emphatielosen Menschen siehst, dann hast du folgende Möglichkeiten:

  1. Beginne zu Meditieren
  2. Kläre deine Beziehung zu jener Person durch eine Therapiesitzung (einzeln)
  3. Trenne dich von jenen Menschen, die dir nicht gut tun

Die „Benefits“ einer regelmäßigen Meditationspraxis sind vielfältig. Sie kann nicht nur dein soziales Umfeld wieder in Ordnung bringen sondern auch dein Leben wieder neu ausrichten.

Das geschieht nicht über Nacht sondern auf subtile Weise über Monate und Jahre hinweg. Denn in unserem Herzen hat die Seele ihren Sitz und unsere Seele kennt den richtigen Weg und weiß uns zu führen und zu leiten.

Die Heartfulness-Meditation, die ich im allgemeinen empfehle, ist kostenlos und du wirst von freiwilligen Trainern in deiner Praxis unterstützt. Zudem gibt es Möglichkeiten, sein Selbst in der Heartfulness-Community zu stärken und sich mit Menschen zu verbinden, die einem gut tun.

Zum zweiten Punkt: Mach eine Sitzung bei dem Therapeuten, der Therapeutin deines Vertrauens. Oft wünscht sich die leidende Partnerin eine gemeinsame Sitzung mit ihrem Freund um mittelst Mediation eine gemeinsame Lösung zu finden. Ein solcher Ansatz kann erst einmal helfen, geht der Sache jedoch nicht auf den Grund.

Wie bereits erwähnt sitzen die Probleme häufig tiefer. Ein Beispiel aus meiner Praxis kannst du im Artikel „Narzissmus – Ist mein Freund ein Narzisst?“ nachlesen. In diesem Fall war klar, dass Person A nur noch ein Weg blieb: Die Trennung.

Die Trennung mag erst schmerzen. Es kann sich anfühlen, als würden wir unseren Vater oder unsere Mutter verlieren (und das Innere Kind fühlt auch genau so). Person A war aber durch unsere vorhergegangenen Sitzungen gestärkt und fähig diesen Schritt zu gehen. Ich bin mir sicher, auf lange Sicht wird sie feststellen, das dies der Schritt in ein neues Leben war.

Ist der Mensch von Natur aus egoistisch oder empathisch?


In den letzten zehn Jahren hat sich die Art und Weise, wie wir den Verstand und seine innere Funktionsweise sehen, stark verändert. Über weite Strecken der Geschichte war man der Überzeugung, dass der Mensch von Natur aus egoistisch sei. Die vielen Kriege, die vielen Verbrechen und die groben Unmenschlichkeiten, die er begannen hat, scheinen das zu bestätigen . Dies ist allerdings eine Betrachtung, die nur die „Makro-Ebene“ im Blick hat.

Wenn wir den Menschen von der „Mirko-Ebene“ aus betrachten, ergibt sich ein anderes Bild. So kamen Evolutionstheoretiker der neuen Generation (also nicht mehr der rein darwinistischen Perspektive folgend) zum Schluss, dass es genau jene Fähigkeit zur Empathie sei, die den Menschen zu dem entwickeln hat lassen, was er heute ist. Nämlich: Im Grunde ein durch und durch soziales Wesen, das erfolgreich mit seiner Community die Widrigkeiten des Lebens meistert.

Isoliere einen Menschen von seinen Mitmenschen und er wird krank. Studien zeigten, dass jene Menschen das höchste Alter erreichen, die sich am besten gesellschaftlich eingebunden fühlen.


Soziale Kontakte und Empathie wirken also nicht nur harmonisierend sondern sind regelrecht gesund. Aber wie sieht ein Mensch mit hohem Einfühlungsvermögen aus? Welche Gewohnheiten zeichnen diejenigen aus, die das Beste aus dieser wichtigen Fähigkeit machen? Wenn wir mehr über ihre Gewohnheiten wissen und es ihnen gleich tun, können wir mehr Freiden, Freude und Gesundheit in unser Leben bringen.

Mehr Empathie zur Transformation der Menschheit

Mehr und mehr wird klar: Wir brauchen eine Revolution hier auf Erden, eine sanfte Revolution des Mitgefühls und der Menschlichkeit und keine Revolution durch Gewalt und Kampf. Es könnte den Kurs der Menschheit ändern, wenn wir realisieren, dass wir alle im selben Boot sitzen und nur durch eine gegenseitige Unterstützung (und nicht durch die Erfüllung egoistischer Wünsche) ein erfülltes Leben führen können.

Mitgefühl ist nicht Mitleid

Wenn unsere Spiegelneuronen feuern, weil wir einen Menschen in Not sehen, kann sich das auch für uns schmerzhaft anfühlen. Bei diesem „Mitleiden“ sollte es aber nicht bleiben. Wir sind die Beobachter dieser Situation und haben daher auch etwas mehr Distanz dazu als der Betroffene.

Diese Distanz befähigt uns die Situation zu reflektieren und eventuell Lösungsmöglichkeiten zu erkennen. Wir sind also nicht nur berührt von der Situation sondern auch motiviert, der anderen Person zu helfen. Auf diese Weise machen unsere Spiegelneuronen Sinn.

Ist der Eindruck jedoch derart überwältigend, dass wir uns im Mitleid und Schock verlieren und uns nicht mehr im Stande fühlen eine Veränderung herbeizuführen, hinterlässt die Erfahrung in uns eine Hilflosigkeit die wie ein Trauma wirken kann.

Deshalb: Kenne deine Grenzen! Finde heraus auf welcher Ebene und in welchen Situationen du eine Bereicherung sein kannst und welche Aufgaben dich und dein Umfeld stärken.

6 Gewohnheiten hochempathischer Menschen

Jetzt kommen wir zum Eingemachten! Nach Roman Krznaric können die folgenden sechs Gewohnheiten uns Menschen ein hohes Empathievermögen bescheren:

1. Entwickle ein natürliches Interesse am Menschen

Hoch empathische Menschen (oder HEPs) bewahren sich dieselbe natürliche Neugier, neue Menschen kennenzulernen, die wir alle als Kinder hatten.
Krznaric sagt, dass es darum geht, die andere Person interessanter zu finden als uns selbst und dass HEPs „nicht darauf aus sind, sie zu verhören oder auszufragen“.
Eine natürliche Neugier ermöglicht es uns, neue Menschen kennenzulernen und ihre Geschichten und Perspektiven zu erfahren, was unser eigenes Verständnis erweitert und es uns ermöglicht, Empathie für sie zu entwickeln.

2. Hinterfrage deine eigenen, eventuell falschen Vorstellungen über deine Mitmenschen

Die Erfahrungen, die wir im Leben machen prägen unsere Entscheidungen und unser Weltbild. Aus diesem Grund wachsen wir mit bestimmten Vorstellungen über Menschen, Stereotypen oder „kollektiven Etiketten“ auf, wie Krznaric sie nennt.
Hoch empathische Menschen hinterfragen diese Vorstellungen und versuchen, Menschen zu verstehen, anstatt sie pauschal zu verurteilen. Sie wissen, dass die Vorurteile und Wahrnehmungen, die wir kultivieren, oft falsch sein können, und sind daher immer bestrebt, mehr über das zu erfahren, was sie noch nicht ganz verstehen.

3. Versetze dich in die Lage anderer Menschen

Stelle dir vor wie es wäre, in der Haut eines anderen zu stecken. Meine Zeit als Schauspieler war Gold wert in Bezug auf das Trainieren dieser Fähigkeit. Ich kann es nur jedem empfehlen, sich mal auf kleiner Bühne auszuprobieren und eine Rolle von jemanden zu spielen, der Not leidet. Das ist anstrengend und manchmal gar schmerzhaft, kann jedoch einen kathartischen Effekt bewirken und dem Spieler (und den Zuschauern) die Augen öffnen.

Hoch empathische Menschen machen es sich zur Gewohnheit, sich in eine andere Person hineinzuversetzen: Zu denken, was sie denken könnte, zu fühlen, was sie fühlen könnte, und zu tun, was sie tut, damit sie verstehen können, warum sie tun, was sie tun.

4. Sei ein guter Zuhörer und habe keine Angst, dich zu öffnen

Die beiden Eigenschaften, die Krznic einen „empathischen Gesprächspartner“ nennt, sind:

  1. Die Fähigkeit, tief zuzuhören: Die meisten Menschen wissen nicht, wie man gut zuhört, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, darüber nachzudenken, was sie sagen wollen. Sehr empathische Menschen sind großartige Zuhörer, weil sie aufrichtig daran interessiert sind, zu hören, was die andere Person zu sagen hat.
  2. Die Bereitschaft, sich zu öffnen und sich einem anderen gegenüber auszudrücken: Empathie ist kein Verhör, sondern eine natürliche Neugier, mehr über andere Menschen zu erfahren. Daraus erwächst die Bereitschaft – ja sogar der Wunsch – sich zu öffnen, damit die andere Person auch einen selbst besser verstehen kann.

Zusammengenommen ist ein empathischer Gesprächspartner jemand, der nicht nur weiß, wie man tief zuhört, sondern auch, wie man eine tiefe Verbindung zu einem anderen Menschen herstellt. Nicht selten kommt es in meiner Praxis vor, dass allein das empathische Zuhören bereits eine große emotionale Erleichterung bei meinen KlientInnen bewirkt. Das lässt mich vermuten, dass ihnen wohl schon lange niemand mehr aufrichtig, geduldig und mitfühlend zugehört hat.

5. Erkenne, wie du andere zum Handeln bewegen kannst

Eine interessante Angewohnheit hoch empathischer Menschen ist ihre Fähigkeit, die Kraft der Empathie zu nutzen, um große Gruppen von Menschen zum Handeln zu bewegen oder einen positiven sozialen Wandel zu bewirken.

Oft beschweren wir uns bei unseren Regierungen, dass sie den von uns gewünschten Wandel nicht herbeiführen. Ein aufmerksamer Blick in die Geschichte zeigt jedoch, dass es häufig große soziale Initiativen waren – oft von dem Wunsch einer einzelnen Person geleitet – die positive und nachhaltige Veränderungen bewirkten.

Die neue wissenschaftliche Disziplin der Community Psychologie beweist mittlerweile in einer Vielzahl von Studien, wie wirksam solche „bottom-up“-Strategien, die benachteiligte Mitglieder unserer Gesellschaft „empowern“, für eine nachhaltige Veränderung unseres sozialen Miteinander sind.

6. Empfinde Empathie für die gesamte Menschheit

Eine weitere Angewohnheit hoch empathischer Menschen ist, dass sie ihre Empathie nicht selektiv einsetzen. Sie lassen die gleiche Freundlichkeit auch denjenigen zukommen, die man als ihre Gegner ansehen könnten oder die einfach eine andere Meinung vertreten oder gar Unrecht tun.

Kein Mensch ist von Natur aus böse. Wir alle haben Stärken und Schwächen, Vorlieben und Abneigungen. Wir alle empfinden Freude und Schmerz. Es gibt immer Gründe, warum wir tun was wir tun. Gemeinsam eine Antwort auf das „Warum“ zu finden, ist bereits mehr als der halbe Weg zum Frieden und zur Heilung.

Fazit

Empathie kann unsere Welt verändern. Wenn wir lernen uns (wieder) miteinander zu verbinden, ist es durchaus möglich, dass der Menschheit einer glorreichen Zukunft entgegen geht.

Dr Bruce Lipton bedient hier ein sehr schönes Bild: Er sieht die Menschheit als „einen Körper“ und uns Menschen als einzelne Zellen. Wir alle haben unsere speziellen Funktionen. Eine Gruppe an Zellen bildet das Herz, ein anderer die Leber und wieder eine andere die Haut. Wir sind also nicht alle gleich. Aber nur durch ein kooperatives Miteinander können wir überleben.

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